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2012/2013: Requiem For A Team

Saisonrückblick 2012/2013 und Bestandsaufnahme.

Wieder geht eine Saison zu Ende, wieder ist Barcelona Meister, wieder fallen ein paar Rekorde. In Pokal und Champions League erreicht man jeweils das Halbfinale. Eine Spielzeit also, die ein Statistiker als durchaus erfolgreich verbuchen würde. Tatsächlich sah es bis zur Winterpause ganz danach aus, daß es Tito Vilanova gelingen würde, das Werk seines Vorgängers fortzusetzen und auch weiterzuentwickeln. Den Leistungsabfall im Frühjahr kann man zum Teil seiner Erkrankung anlasten, unter dem Eindruck schlechter Ergebnisse treten jedoch auch andere Baustellen zutage.

Die erste Saisonhälfte nährte, sowohl von den Resultaten als auch vom spielerischen Niveau her, die Hoffnung, an die ersten Guardiola-Jahre anschließen zu können. Das Team wirkte frisch, hungrig und in blendender Form. Taktische Veränderungen deuteten Titos Fähigkeiten zur Innovation an. Wiewohl der Cheftrainer gegen deren Ende schon gefehlt hat, wurde die beste Hinrunde der Ligageschichte gespielt. Was sollte also schiefgehen? Zum Beispiel die verlorenen Spiele gegen Madrid und Milan, die den Abwärtstrend auch denen aufs Auge drückte, die ihn vorher nicht sehen wollten. Bereits im Achtelfinale gegen Paris hat nur das ausreichende Resultat über bereits bestehende Probleme hinweggetäuscht. Zwar folgte auf all das mit der Aufholjagd gegen Milan eine Sternstunde der letzten paar Jahre, leider war die aber nur mehr ein letztes Auflodern, keine Trendumkehr. Und für die unverbesserlichen Optimisten gab es dann ja eh noch die Spiele gegen Bayern.

Außer schlechten Leistungen in Schlüsselspielen zeichnen sich einige beunruhigende Muster ab:

Messidependencia. Der kleine Mann aus Rosario ist unbestritten der beste Spieler seiner Ära und es wäre abwegig, die Mannschaft nicht auf ihn auszurichten. Wie uns diese Saison aber vor Augen geführt wurde, ist man in die Falle getappt, sich zu sehr auf ihn zu verlassen. Spielt er, werden die beiden anderen Stürmer zu Randfiguren, egal welche Qualität sie haben. Und das wirkt sich wohl auf deren Form und Selbstvertrauen aus. Spielt er nicht, herrscht vorne tote Hose, weil die anderen gewohnt sind, sich mit den Abschlüssen hinten anzustellen.

Verteidigung. Die dünne Personaldecke in der Defensive hat schon direkt Tradition,  heuer hat man aber mehr darunter gelitten als üblich. Phasenweise waren aber auch so viele Spieler gleichzeitig verletzt, daß man eine Unterbesetzung gar nicht mehr alleine verantwortlich machen kann. Und wenn einmal die nominell stärksten in der Abwehr standen, waren sie selten in blendender Form. Man muß sich auch langsam mit dem Gedanken anfreunden, daß Puyol die dominante Rolle von früher immer weniger ausfüllen können wird. Auch wenn er seine Verletzungen wieder auskuriert, wird er in Zukunft wahrscheinlich hie und da eine Pause mehr brauchen. Und Piqué sticht derzeit nicht als Organisator der Defensive heraus.

Masía auf dem Abstellgleis. Nicht jeder kann aus dem Nichts kommend einfach so in der Startaufstellung auftauchen wie seinerzeit Busquets. Aber Nachwuchsspieler hatten es schon leichter, Fuß zu fassen. Tello, Thiago und Montoya kamen zwar immer wieder zu Einsätzen, hätten sich meiner Meinung nach aber mehr Einsatzzeit und Verantwortung verdient.
Und warum Bartra bei diesem Saisonverlauf – siehe oben – erst ganz am Schluss den Weg auf den Spielbericht gefunden hat, ist rätselhaft.
Mit Carles Planas gab es übrigens nur einen einzigen Debütanten in der abgelaufenen Saison.

Stolz und Fehlurteil

Was wer wem intern wie gesagt hat, weiß man als Außenstehender natürlich nicht. Wie der Umgang mit Titos Krankheit nach außen kommuniziert wurde, halte ich aber für verfehlt. Zwar mag es das richtige Signal gewesen sein, an Ihm als Trainer festzuhalten. Business as usual auszurufen und so zu tun, als könne die Mannschaft über Monate einfach so weitermachen wie bisher, war es aber sicher nicht. Das sollte nicht die einzige Situation bleiben, in der die Vereinsspitze angebrachte Demut und Zurückhaltung vermissen läßt. Den Gipfel bildet da wohl Toni Freixas Aussage, Vilanova würde Guardiola in allen sportlichen und menschlichen Belangen überbieten. Daß ihm das kurz vor den glorreichen Sieben im Halbfinale eingefallen ist, passt da nur zu gut ins Bild. Niemand anderem wäre es in so wenigen Sätzen gelungen, Pep ans Bein zu pinkeln und gleichzeitig den aktuellen Trainer zu beschädigen.

Ohne Interna zu kennen, kann man sich also des Eindrucks nicht erwehren, daß die Junta keine Unterstützung für den sportlichen Bereich ist.

Gerade die schwierige Situation in der Mannschaftsführung lässt es absurd erscheinen, wie oft sich da jemand im Frühjahr vor die Mikrophone gestellt und von der besten Mannschaft der Welt gesprochen hat. Es wäre sicher kein Fehler gewesen, sich etwas zurückhaltender zu äußern. Einerseits um den Druck von den Spielern zu nehmen und andererseits um sich nicht lächerlich zu machen.

Qatarische Verse

Nun, Kreativität und Entscheidungsfreude auf der administrativen Ebene kann man der jetzigen Junta sicher nicht absprechen. Daß Qatar Foundation genauso karitativ wie UNICEF ist, ist schon einmal ein kreativer Zugang. Und wenn die Leute dann maulen, hier wären die Mitglieder übergangen worden, weil es sich doch um einen kommerziellen Sponsor handelt, kann man eigentlich eh gleich Qatar Airways auf die Dressen knallen. Das ist dann nur konsequent.

Rosell hat sich vor seiner Wahl als smarter Mann der Zahlen mit Geschäftssinn präsentiert und er hat uns nicht enttäuscht. Wurde vorher noch offensiv um neue zahlende Vereinsmitglieder geworben, mit einem halben Tag Vorlaufzeit wurde dann der Aufnahmestopp verkündet. Außer für Verwandte von bestehenden Mitgliedern. Offiziell verschriftlichte Vetternwirtschaft ist ja an Transparenz nicht mehr zu überbieten – die wurde uns ja auch versprochen.

Man muß ja mit der Zeit gehen und sich alter Zöpfe entledigen. Da muß man natürlich als erste Amtshandlung den Vorgänger anzeigen und kurz darauf Johan Cruyff die Ehrenpräsidentschaft wieder entziehen. So alternde Ikonen aus vergangenen Zeiten könnten ja der glorreichen Zukunft im Wege stehen.

Mutig in die neuen Zeiten!

Prognosen sind ja prinzipiell schwer, aber besonders über die Zukunft. Der FC Barcelona verfügt nach wie vor über einen Weltklasse-Kader, der Kern der dominanten Guardiola-Jahre ist immer noch vorhanden. Eine erfolgreiche Saison 2013/2014 ist also möglich. Als Pessimist hat man aber auch gute Karten:

Zwar präsentiert sich die Mannschaft nach wie vor als Einheit, die Stimmung war aber sicher schon besser. Der Abschied von Valdés und Abidal, der eine freiwillig, der andere weniger, stimmen schon nachdenklich. Daß sich Eric Abidal, der sich durch die Rückkehr in den Spitzenfußball nachdem er den Krebs besiegt hat, ein Denkmal im Verein gesetzt hat, sich öffentlich verstört über das Verhalten des Vereins zeigt, spricht nicht für dessen Führung. Vom atmosphärischen abgesehen, werden nicht händeringend Verteidiger gesucht?
Daß der Abgang von Thiago überhaupt zur Debatte steht, ist einfach erschreckend. Der talentierteste Nachwuchsspieler seit Busquets, noch dazu auf einer Position, die in den nächsten Jahren zur Baustelle werden wird, wäre normalerweise der erste Kandidat für eine Vertragsverlängerung.
Der Nachwuchs allgemein – in den letzten Jahren der Stolz des Vereins – durchlebt schwierige Zeiten, die so schnell nicht besser werden dürften. Neben Óscar García geraten nicht nur immer mehr Spieler sondern eben auch begabte Trainer auf das Abstellgleis und verlassen den Club. Der „Aufzug“ aus der Jugend in die erste Mannschaft ist steckengeblieben. Junge Talente werden auf Leihbasis abgegeben, aber es bleibt der schale Beigeschmack, daß dies eher einer Ratlosigkeit geschuldet sein dürfte, was man mit ihnen anfangen soll. Marc Muniesa und Andreu Fontás könnten Opfer dieser Politik werden. Immerhin beide Innverteidiger, die ihr Potenzial im A-Team schon einmal andeuten durften. Aber auch auf dieser Position wird sich wohl ein brasilianischer Wunderwuzzi finden.

Vielleicht täusche ich mich auch und nächstes Jahr wird ganz großartig. Visca el Barça.

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