3:2. Ein Resultat mit dem jeder leben kann, das aufgrund des Spielverlaufs die weißen aber glücklicher machen wird als die blauroten.
Die Startaufstellungen ohne Überraschungen und Neuzugängen sorgen für eine erste Halbzeit, wie wir sie schon so oft in den letzten zwei Jahren gesehen haben: Der Ball umkreist ein Chelsea’eskes Madrid in der eigenen Hälfte. Die entsprechende Dynamik der verlangsamten Ballzirkulation bis zur zündenden Idee und der Infarktgefahr bei Ballverlust und schnellem Konter gegen Verteidiger auf der Mittellinie stellte sich auch prompt ein.
Umso erstaunlicher die rasante zweite Halbzeit. Madrid bemüht sich etwas mehr um die offensive und wird sogleich mit der Führung aus einem Corner-Tor belohnt. Kaum haben die weißen ausgejubelt, gleicht Pedro nach weitem Diagonalpass von Mascherano aus – zugegeben, aus abseitsverdächtiger Position. Aus dem planvollen Belauern wird nun aber ein offener, spektakulärer Schlagabtausch, in dem Barça rasch die Oberhand gewinnt und einen klaren Elfer und einen Wunderassist von Iniesta später wie der sichere Sieger aussieht. Vorschnell. In den letzten Minuten unterläuft Valdes ein folgenschwerer Fehler beim Versuch, das Pressung der weißen spielerisch zu zu überwinden und läßt sich von Di Maria den Ball abnehmen. Die bis dahin exzellente Ausgangsposition für nächste Woche ist somit dahin.
Fazit
Gut
More of the same mit kleinen Verbesserungen und alten Schwächen. Die Verteidigung hat exzellent gewerkt und die schnellen Konterangriffe, meist durch kluges Stellungsspiel, frühzeitig abgefangen. Mascherano hat seine gerechtfertigte gelbe Karte für das nicht regelkonforme Unterbinden eines Konters an der Mittellinie bekommen. Aus dem Spiel heraus macht Madrid gestern keinen Stich, die Gegentore fallen aus einem Corner und nach einem individuellen Fehler von Valdés. Mittelfeld und Angriff agieren in alt bekannter Souveränität, da muß Messi gar nicht einen seiner ganz magischen Tage erwischen.
Ungut
Eckbälle. Warum diese ansonsten Maßstäbe setzende Mannschaft bei Eckbällen, offensiv wie defensiv, schwächer agiert als viele mäßig begabte Teams, bleibt ein Rätsel. Özils Ecke und Ronaldos Kopfball können zwar kaum besser ausgeführt werden, aber zieht man auch die Vorbereitungsspiele in Betracht, scheinen die Ecken Baustellen zu bleiben.
Systemisch
Valdés‘ Lapsus. Nach so einem Gegentor ergießt sich natürlich von allen Seiten die Häme über den Tormann. Meiner Meinung nach zu Unrecht. Barças Spielsystem lebt davon, den Ball nicht blind wegzudreschen, sondern auch gegen massives Pressing über Kurzpasspiel in Ballbesitz zu bleiben und aus der Gefahrenzone zu kommen. Kein Tormann ist fußballerisch so stark wie Valdés, um das kontinuierlich und sicher umzusetzen. Die taktische Vorgabe, auch an der Grundlinie alles spielerisch zu lösen, birgt eben das gestern schlagend gewordene Risiko. Víctor hat sich den Ball gestoppt und eine Sekunde zu lange gezögert. Auch von den größten ihrer Zunft im Mittelfeld hat man solche Ballverluste ein paar mal gesehen im Laufe der Partie. Auch wenn solche kuriosen Tore im Gedächtnis ewig haften bleiben, ist diese Taktik effektiv und verursacht à la longue weniger Gegentreffer. Beim blinden wegdreschen kann man sich meist nicht wirkungsvoll befreien und dem Gegner bleibt die Initiative. Die vielen Treffer die man in solchen Abwehrschlachten kassiert, schauen halt nicht so blöd aus.
Ära Tito I
Um die Spielstile unter Guardiola und Vilanova gegenüberzustellen ist es natürlich noch zu früh, folgendes könnte aber schon auf die eigene Handschrift Titos hindeuten (ich kann mich auch täuschen, aber das ist mein erster Eindruck aufgrund der Vorbereitung, der ersten Ligapartie und dem Match gestern):
– Wiewohl Ballbesitz nach wie vor ein taktischer Wert für sich ist, scheint die Mannschaft angehalten, einen direkteren Weg nach vorne zu suchen. Das hypnotische Ballzirkulieren, oft auch in der Viererkette scheint der neue Chef etwas zurückgenommen zu haben. Manchesmal hat das eben nicht nur den Gegner sediert, sondern auch die eigene Mannschaft in falscher Sicherheit gewiegt.
– Lange Bälle dürften eher forciert und trainiert werden als zuvor.
Im Großen und Ganzen dürften uns aber keine Umbrüche erwarten und Vilanova das bewährte System einfach weiterführen (welches er ja auch schon vorher mitgestaltet hat).
Ära Mourinho III
Wohltuend wenige Psychoeinlagen vom Speziellen Einen. Ein bißchen Meckerei im Rahmen, aber keine Eskalationspolitik auf und abseits des Platzes, wie wir sie schon gesehen haben. Seine Aufstellung hat keine großen Überraschungen geboten, eingestellt hat er seine Mannschaft wie erwartet exzellent. Die kurzen Lochpässe in den Strafraum, die Barça gegen zurückgezogene Defensiven normalerweise sehr effektiv spielen kann, wurden fast immer abgefangen, was auf eine gute Analyse und planvolle Reaktion darauf schließen läßt. In der Offensive konnte er Tito zwar durch Spielzüge nicht überwinden, aber die systemimmanenten Schwächen anbohren. Das Pressing am Ende des Spiels auf Valdés und die Verteidigung war klarerweise die richtige Idee, hätte aber auch nicht eines Genies bedurft.
Real Madrid unter José Mournho bleibt ein ebenbürtiger Gegner, der jederzeit das Potenzial hat, Barça jeden Titel streitig zu machen. Dennoch kommt das Weiße Ensemble spielerisch nicht weiter. Der Rückzug vor den eigenen Strafraum und periodische Härteeinlagen (auch wenn die gestrige Partie weitgehend sauber geführt wurde) bleiben nach wie vor die dominanten Mittel. Im offenen Schlagabtausch schießen die blauroten nach wie vor einfach mehr Tore als die weißen.
Ausblick
Und damit werden wir nächste Woche wohl ein ähnliches Spiel wie gestern in der ersten Halbzeit sehen: Denn ich gehe davon aus, daß Madrid ein 1:0 anstreben wird. Mein Tipp: Ein ruhiger Abend an Prado und ein 1:1.